Gedanken zur Jahreslosung

Nachricht Osnabrück, 06. Januar 2021

Liebe Gemeinde,
im Mittelpunkt der Jahreslosung für das Jahr 2021 steht das Wort „Barmherzigkeit“ - also ein sehr wichtiges Wort, aber eins, dass selten im Alltag von uns gebraucht wird. Niemand sagt: „Aus Barmherzigkeit
habe ich dies oder das getan …“ - wir sagen da eher „aus Mitleid“ oder verwenden andere Wort. Und auch im Handeln unseres Staats hat das Wort kein Platz, weil natürlich alle sozialen Leistungen fest im Recht verankerst sind. Der einzige Ort, wo Barmherzigkeit im Staat vorgesehen ist, sind die Begnadigungen von Gefangenen zu Weihnachten, durch den
Bundespräsidenten.

Doch obwohl „Barmherzigkeit“ als Wort so selten verwendet wird, kommt sie im Handeln der Menschen im Alltag immer wieder vor. Aber wie lernen wir sie? Durch Vorbild und Nachahmung! Wer barmherzig behandelt wird oder barmherziges Handeln erlebet, lernt Barmherzigkeit. Um barmHERZig handeln zu können, müssen wir lernen auf unser Herz zu hören. Es geht also um „Mitgefühl“. Wenn wir uns in unser Gegenüber bzw. in seine Gefühlslage einfühlen können, können wir auch barmherzig an ihnen handeln. Wenn ihr Elend unser Herz berührt, dann können wir auf diese wunderbar großzügige Weise handeln. Wer barmherzig handelt, fragt nicht nach dem Recht oder dem Sinn seiner Tat. Der Kopf, die Vernunft haben da Pause. Stattdessen spricht unser Herz und lässt uns handeln. Wenn uns das Elend eines Obdachloser dazu veranlasst ihm fünf Euro zu geben, dann ist es egal, ob wir damit evtl. seine Alkoholsucht fördern, weil es in dem Moment für unser Herz einfach das Richtige ist.

Damit wir Barmherzigkeit lernen können, brauchen wir Vorbilder. Deshalb kommt dem Wort „wie“ in der Jahreslosung große Bedeutung zu. So wie Gott an uns barmherzig handelt, so sollen auch wir es tun. Deshalb rückt Stefanie Balinger Gottes barmherziges Handeln in den Mittelpunkt ihres Bildes zur Jahreslosung: Den Moment der Menschwerdung Gottes, als er einer von uns wird - ein kleiner, verletzlicher Säugling. Umschlossen wird er von lauter warmen Rottönen. Wie in der Gebärmutter geborgen, liegt er da im Schoß seiner Mutter. Wer das Wort „barmherzig“ in der hebräischen Sprache nachverfolgt, entdeckt, dass die Wurzel des Wortes dieselbe wie beim Wort „Gebärmutter“ ist. Und so umhüllt und beschützt die Mutter ihren Sohn liebevoll - das Kind, dass Gott aus lauter Barmherzigkeit zu uns in die Welt geschickt hat. Als deutliches Zeichen der Liebe Gottes, ist die Windel mit einem Kreuz versehen, dass schon auf die Kreuzigung verweist. Zugleich ist sie wie ein Brot geformt, so dass schon hier unsere Verbindung mit Jesus im Abendmahl anklingt. Die Flammen, die auf Pfingsten deuten, und das Spitzbogenfenster als Sinnbild für die Kirche, zeigen deutlich, dass wir Christ*innen, dass die Kirche der Ort der Barmherzigkeit Gottes in der Welt sein soll. Doch leider sind weder wir noch die Kirche das oft.

Doch Barmherzigkeit lässt sich nicht befehlen, denn sie entsteht spontan in der Situation. Aber mit offenem Herzen durch die Welt zu gehen, das lässt sich üben - vielleicht gerade in diesem neuen Jahr.

Ein gesegnetes neues Jahr wünscht Ihnen

Ihr Thomas Herzberg

Ich wünsche dir,
dass du freundlich
zurückblickst auf das,
was gestern war,
und zuversichtlich
vorausschaust auf das,
was morgen sein wird.
Ich wünsche dir,
Dass du in diesem Moment
zwischen Gestern und Morgen
den Blick Gottes spürst,
der auf dir ruht
und dich segnet.

Tina Willms